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Freitag, 2024-04-26

Das Passivhaus in der Praxis

Die Verbreitung des Passivhauses bringt eine enorme Steigerung der Planungs- und Ausführungsqualität sowie des Wohnkomforts mit sich und wird daher von vielen AkteurInnen als "Quantensprung"; im Neubaubereich bezeichnet. Um eine wesentliche Energie- und somit CO2-Reduktion durch energiesparende Bauweise zu erreichen, liegt nahe, das Baukonzept Passivhaus konsequent weiterzuverfolgen, es vor allem im Mehrfamilienwohnbau zu verankern sowie die gewonnenen Erkenntnisse in der Altbausanierung zu nutzen. Sieht man von vereinzelten Initiativen ab, so fehlte zu Projektbeginn bislang eine mit dem Westen Österreichs vergleichbare Vernetzung einer stetig wachsenden Anzahl von AkteurInnen, um damit eine Trägerschaft des Passivhauses im Osten Österreichs zu erreichen.
Ziel des Projektes sind Strategien zur Marktaufbereitung für das Passivhaus im Osten Österreichs.Inhaltlich liegt der Schwerpunkt auf einer AkteurInnen- und NutzerInnenbefragung im Bereich Passivhaus, einer Erfassung hemmender und fördernder Faktoren zur Umsetzung des Baukonzeptes Passivhaus, Strategieworkshop, Verbreitungsaktivitäten (Exkursionen, Workshops, Tagungen), Arbeitsgruppe Passivhaus sowie einer Dokumentation gebauter Objekte.

Die wichtigsten Zielsetzungen im Projekt:

  • Entwicklung einer Strategie zur Behebung von Lern- und Diffusionsdefiziten bei der Realisierung und Verbreitung von Passivhäusern im Osten Österreichs
  • Akzeptanz für das Baukonzept Passivhaus im Osten Österreichs schaffen
  • Eine hohe Flächendeckung gebauter Beispiele zu erreichen

Durch die eingesetzten Methoden wie: Recherchen, Befragungen, Strategieworkshops, Tagungen, Evaluation von Tagungen, Schnuppertagen und Publikationen sollte eine Trägerschaft aus PlanerInnen, Baufachleuten, Haustechnikern, Bausachverständigen, BeraterInnen und EntscheidungsträgerInnen zur Strategieentwicklung für die Verbreitung des Passivhauses im Osten Österreichs entstehen. In jeder Phase des Projektes wurden NutzerInnen, Ausführende und EntscheidungsträgerInnen in einem dafür geeigneten Rahmen zusammengebracht um so in einen gemeinsamen Lernprozess einzutreten, der einerseits die Qualität des Produktes Passivhaus sichert, dessen Akzeptanz wesentlich erhöht und seine Marktdurchdringung vorbereitet.

Die Ergebnisse:
Das Passivhaus stellt eines der konsequentesten Konzept nachhaltigen Bauens dar, und bringt unter Berücksichtigung von Verwendung ökologisch unbedenklicher Materialien und der Verwendung von erneuerbaren Energieträgern für die Bereitstellung des Restenergiebedarfes eine enorme Steigerung der Planungs- und Ausführungsqualität sowie des Wohnkomforts mit sich.
Derzeit ist allerdings eine Tendenz zu einer allelektrischen Energieversorgung im Passivhaus (auch zur Bereitstellung von Raumwärme und Warmwasser), festzustellen. Bei einer Weiterentwicklung des Passivhauses sollte dieser Tendenz durch Einbindung erneuerbarer Energiequellen entgegengewirkt werden. Eine weitere Option ist die Weiterentwicklung von Nullenergiekonzepten. Nullenergiehäuser stellten bisher kostenintensive Lösungen dar, da der Focus auf der energietechnischen Seite lag; Niedrigenergiehäuser wurden mit teurer Photovoltaik bzw. solaren Wärmenetzen versorgt. Auf Basis von Passivhäusern verbessert sich das Kosten/Nutzen/Ressourcen-Verhältnis für solche Lösungen entscheidend.
Im Bezug auf die Komfortlüftung im Passivhaus haben Untersuchungen ergeben, dass ein maßgeblicher Teil der Bedingungen für eine optimale Funktion der Lüftungsanlage nicht nur auf der Ebene der einzelnen technischen Komponenten sondern auf der Ebene der Lüftungsanlagenplanung, der Abstimmung der Komponenten untereinander und ihrer Einbindung in das Gebäudekonzept, sowie einer qualitativ hochwertigen Bauausführung liegt. Die Wohnraum-Komfortlüftung verbessert die Luftqualität in Innenräumen in einem Maße, welches in der Praxis durch Fensterlüftung nicht durchgängig erreichbar ist. Großer Wert muss auch auf die Aufklärung der NutzerInnen gelegt werden, um Vorurteilen wie: "im Passivhaus dürfen die Fenster nicht geöffnet werden" entschieden entgegenzuwirken. Das Öffnen von Fenstern ist im Sommer die wirksamste Methode der "Nachtspülung" zur Kühlung von Gebäuden. Das gilt auch für das Passivhaus. Für diesen Fall, aber auch für die gewünschte Kommunikation nach außen oder sonstiger Motive von BewohnerInnen, stellt es für das Passivhaus kein Problem dar, die Fenster fallweise zu öffnen. Das Motiv, die Fenster zu öffnen, um frische Luft in das Gebäude zu transportieren, tritt im Passivhaus durch eine automatische Wohnraum-Komfortlüftung eindeutig in den Hintergrund.
BenutzerInnen-Informationen für das Passivhaus unterstützen die Effizienz des Systems, dürfen aber keine grundsätzliche Voraussetzung für die Funktionstüchtigkeit des Passivhauses sein – besonders dann, wenn dieses Konzept erfolgreich auf den Mehrfamilienwohnbau und sonstige Nutzbauten übertragen werden soll. Das "wirkliche" Passivhaus muss auch funktionieren, wenn die BenutzerInnen wenig darüber wissen – zukünftig wird daher eine entsprechende effiziente Qualitätssicherung sicherzustellen sein, damit KundInnen sichergehen können, dass nur das als Passivhaus verkauft wird, was den Qualitätsanforderungen tatsächlich entspricht. Der Zusammenschluss von AkteurInnen in der Interessensgemeinschaft Passivhaus (IG-Passivhaus), der in Vorarlberg und Oberösterreich bereits erfolgt ist und sich derzeit, forciert durch das gegenständliche Projekt, im Osten Österreichs bereits in Gründung befindet, hat sich diese Qualitätssicherung zum primären Ziel gesetzt.
An das bauausführende Gewerbe stellt die Ausführungsqualität (große Dämmstärken, Wärmebrückenfreiheit, Luftdichtigkeit des Gebäudes) eine große, aber technisch gut zu bewältigende Herausforderung dar, die durch brancheninterne und branchenübergreifende Schulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen gelöst werden muss. Bei diesen Schulungen geht es einerseits darum, die Funktionsweise und Wohnqualität des Passivhauses verständlich zu machen und so das Verständnis für die unbedingte Notwendigkeit einer bestimmten technischen Ausführung zu wecken und andererseits darum, einfache technische Anweisungen zu geben. In diesem Zusammenhang wurde auch die Errichtung eines "Lehrbauhofes Passivhaus" und die Durchführung von Baubegleitungsmaßnahmen (Training on the job) angeregt.
Bei der Realisierung von Mehrfamilienhäusern in Passivhausqualität stellt sich als besonderes Hemmnis das derzeit von den Bauträgern scheinbar noch nicht kalkulierbare Risiko in der Herstellung der Gebäudequalität dar. Erfahrungswerte liegen zwar in Westösterreich bereits vor, in Ostösterreich st jedoch noch großer Informationsbedarf bei Bauträgern vorhanden, sowie die Notwendigkeit, gesetzliche Rahmenbedingungen hinsichtlich Bautechnikverordnung, etc. zu schaffen. Was die Vermarktung dieser Wohnungen betrifft, fehlen derzeit schlagkräftige Begriffe und Motive, die NutzerInnen dazu bewegen könnten,gerade diese Wohnungen zu bevorzugen. Für das Marketing genutzt werdenkönnte der allgemeine Trend zu Wellness und Gesundheit, hohe Wohnqualität und Modernität. Die Mehrkosten bei der Errichtung könnten durch Contractingmodellefinanziert und somit durch die Einsparung von Betriebskosten wieder hereingespielt werden. Ein weiteres Argument für Wohnbauträger und Bauausführende könnte die gute Bauqualität sein - und damit das Auftreten von Schimmelschäden und daraus resultierender Reklamationen völlig zu vermeiden. Ein gefördertes Demoprojekt im innerstädtischen Bereich als anschauliches Passivhaus im Mehrfamilienwohnbau könnte wesentlich zur Markteinführung beitragen.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen:
Aus Sicht des Projektes ist Passivhausqualität kein statisches sondern ein dynamisches Konzept. Hohe Planungs- und Ausführungsqualität bringen dem Gebäudenutzer primär zeitgemäßen Wohnkomfort und dauerhafte Produkte bei niedrigsten laufenden Energiekosten. Die Lösung technischer Anforderungen dahinter und die Schaffung eines guten Preis-Leistungsverhältnisses ist Aufgabe der Produkthersteller von Passivhäusern. In diesem Sinn sollen Anforderungen für die Weiterentwicklung von Konzepten, Komponenten und von Passivhausarchitektur gestellt werden. Forschungs- und Entwicklungsbedarf erscheint beispielsweise in folgenden Bereichen sinnvoll:Haustechnik und Heizsysteme:

  • Standardisierung von Reinigungsöffnungen bei Luftführungen innerhalb der Gebäudehülle, Standardisierung von Schalldämmmassnahmen im Rohrnetz und zum Wohnraumlüftungsgerät
  • Technische Maßnahmen und Empfehlungen zur Einhaltung einer Mindestluftfeuchtigkeit im Winter
  • Entwicklung von sehr preisgünstigen Methoden zur Wärmeabgabe über Bauteile oder andere "Strahlungsflächen" um bei Bedarf einen Teil der Wärmeabgabe jenseits der Zulufterwärmung bewerkstelligen zu können
  • Entwicklung von Konzepten zur Wärmeversorgung von Passivhaus-Siedlungen Architektur, Gebäudekonzepte, Baudetails:
  • Entwicklung von sozial und finanziell angepassten "Nullenergiehäusern"
  • Entwicklung von Passivhaus-Architekturmodulen bzw. -Typen zur weiteren Senkung der Herstellungskosten von Passivhaus-Gebäuden
  • Entwicklung ökologisch optimierter, vorgefertigter "Vorhängfassaden" für den Massivbau
  • Lösung von Wärmebrücken- bzw. Baudetails mit baubiologisch günstigeren Produkten (Klebebänder, Folien, PU-Schaum...,)
  • Weiterentwicklung der Kennzahlenbildung (Bauökologie, Nachhaltigkeit...) und der Simulationsinstrumente.

Kein anderes Baukonzept hat in den letzten Jahrzehnten eine derartige Dynamik einer Gesamtentwicklung am Bausektor und bei der Komponentenentwicklung ausgelöst, wie das Passivhauskonzept. Als besonders markantes Beispiel sei hier der dynamische Markt für passivhaustaugliche Fenster erwähnt. In wenigen Jahren wurde der Energieverlust über Fensterflächen praktisch halbiert. War noch vor fünf Jahren erst ein Fenster-Produkt nach Passivhausinstitut Darmstadt zertifiziert, so sind es derzeit bereits an die vierzig zertifizierte Produkte. Setzt sich dieser Trend am Bausektor fort, wird das Passivhauskonzept zukünftig eine markante Größe im Wohnbau und in der -sanierung darstellen und damit die Baukultur und Baupraxis der nächsten Jahrzehnte wesentlich beeinflussen. Links: www.hausderzukunft.at Projektpartner: Energieinstitut Vorarlberg Auftraggeber: bmvit, haus der zukunft

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Das Passivhaus

Mittwoch, 2002-05-01 10:00 Alter: 22 Years